Mythen und Vorurteile

Kaum hat man sich dem Partner, der Familie oder Freunden gegenüber geöffnet und gesagt, dass man darüber nachdenkt mit Stoff zu wickeln, wird man direkt ungefragt mit Gegenargumenten überhäuft. Meistens von Menschen, die selber nie eine moderne Stoffwindel in der Hand gehalten haben.

Wenn man sich näher mit der Thematik auseinandersetzt wird einem schnell klar, dass die meisten dieser Argumente falsch sind.

Die Stoffwindeln sind Opfer übler Nachrede geworden.


Die häufigsten Mythen und Vorurteile möchte ich hier aufklären.


Falls Dein Partner oder die Familie noch weitere hat und Dir die passende Entgegnung noch fehlt um diese zu entkräften, dann könnte meine Kurzberatung das Richtige für Dich sein.

Stoffwindeln stinken


Hier ist, das behaupte ich jetzt ganz frech, genau das Gegenteil der Fall.

Vorausgesetzt die Lager- und Waschroutine stimmt, riecht man von den Stoffwindeln höchstens dann was, wenn man am Waschtag den Wetbag in die Waschmaschine entleert.

Ja okay, mit Stuhlgang darin riecht man die Windel am Kind. Aber das ist mit Wegwerfwindeln ja nicht anders. Dafür riechen weder die Pipiwindeln (den Geruch vollgepieselter Wegwerfwindeln finde ich persönlich ja richtig schlimm) noch ein Windeleimer. 

Stoffwindeln laufen aus

Na, wie viele verschiedene Windelmarken haben Deine Freundinnen schon ausprobiert, bevor sie die passende für Ihr Kind gefunden haben?

Die auslaufenden Windeln sind ein Pseudoargument gegen Stoff. Ja, Stoffwindeln können auslaufen, Wegwerfwindeln aber auch.

In der Regel liegt das Problem hier entweder am falschem Handling der Windeln, den falschen Einlagen(kombinationen) oder das Modell/die Marke passt nicht zum Kind.

All das sind Dinge, die man mit einer Beratung im Vorfeld verhindern oder später in den Griff bekommen kann und kein Grund um auf Wegwerfwindeln umzusteigen.

"Vom Hacken bis zum Nacken"

Passend zu den auslaufenden Windeln, kommt jetzt die wahrscheinlich allen (Wegwerfwindel-) Eltern bekannte Situation, dass der Stuhlgang, gerade bei den ganz frischen Babys hinten aus der Windel schießt und den ganzen Rücken hoch wandert.

Hier haben die Stoffwindeln sogar einen ganz klaren Vorteil: Ein Gummibündchen am Rücken.

Dieses hält, gerade in Kombination mit um das Kind gewickelten Mullwindeln oder hochfloorigen Einlagen, den Muttermilchstuhl zuverlässig in der Windel.

Stoffwindeln müssen vorgewaschen werden

Bleiben wir doch gleich beim Stuhlgang.

Hier hält sich das Gerücht hartnäckig, dass man die Windeln grundsätzlich vorher einweichen oder auswaschen muss. Hiervon wird aber tatsächlich abgeraten.

Solange die Waschroutine stimmt, muss man Stoffwindeln normalerweise nicht händisch vorreinigen.

Muttermilchstuhl und der der meisten PRE-Nahrungen ist wasserlöslich und nicht schädlich für die Waschmaschine oder die Rohre. Wirklich nicht. Übrigens ganz im Gegensatz zu Weichspüler und Flüssigwaschmittel.

Für das große Geschäft ab Beikost gibt es diverse Tricks und Hilfsmittel, um dieses vor der Lagerung problemlos aus der Windel entfernen zu können. Ganz ohne auswaschen.

Das Waschen relativiert die bessere Ökobilanz

Benutzt Du zuhause Pappgeschirr, Plastikbecher und Einweg-Unterhosen? Sicher nicht, oder?


Bei sämtlichen Artikeln unseres alltäglichen Bedarfs gelten wiederverwendbare Produkte heutzutage als ökologischer, nur bei Stoffwindeln wird immer wieder dagegen argumentiert.

Zitiert wird dabei meistens eine Studie, die belegt hatte, dass Stoffwindeln die gleiche Ökobilanz hätten wie Wegwerfwindeln.

In der Studie wurden aber viel zu viele Stoffwindeln pro Kind angenommen, für jedes Kind neu gekauft, täglich bei 90 Grad gewaschen und im Trockner getrocknet. Das ist auch den Verfassern klar geworden und das Studienergebnis wurde wenige Jahre nach ihrer Veröffentlichung korrigiert, mit dem eindeutigen Ergebnis, dass die Stoffwindeln bei einer Wäsche alle drei Tage bei 60 Grad, dem Trocken auf der Leine und vor allem bei einem Gebrauchtkauf, der Wiederverwendung durch weitere Kinder oder dem Weiterverkauf ökologisch deutlich besser abschneiden als Wegwerfwindeln.



Zitiert wird meistens aber nach wie vor nur das alte, mittlerweile offiziell falsche Ergebnis. Ein Schelm wer böses dabei denkt...

Stoffwindeln sind kompliziert

Dieses Vorurteil begründet sich darin, dass die meisten einfach gar keine Berührungspunkte mit modernen Stoffwindeln haben.

Diese sind genau so einfach anzulegen wie Wegwerfwindeln und benötigen je nach System auch keinerlei Vorbereitungszeit.

Mit All In Ones oder vorgestopften Pocketwindeln können zum Beispiel auch Großeltern oder ErzieherInnen in der KiTa ohne große Umstellung zur Wegwerfwindel wickeln.

Stoffwindeln machen einen dicken Windelpo

Grundsätzlich ist es so, dass eine Stoffwindel zwar im trockenen Zustand dicker ist, als eine trockene Wegwerfwindel, aber das Volumen der Stoffwindel ändert sich nicht mehr, wenn Urin dazu kommt.

Eine vollgesogene Wegwerfwindel ist ähnlich dick, wie eine Stoffwindel.

Auf den Bildern siehst Du eine Newborn-Stoffwindel (in dem Fall passend bis ca.

7 kg) und eine Wegwerfwindel in Größe 2. Die Altersgruppe der Kinder stimmt also in etwa überein.

Die Wegwerfwindel ist bis knapp der Hälfte ihres maximalen Saugvolumens gefüllt, 200 ml. Die Stoffwindel ist so gefüllt, dass sie ebenfalls problemlos 200 ml Flüssigkeit saugen kann.


Die Wegwerfwindel ist also nur in trockenem Zustand dünner, im nassen Zustand sind beide Windeln gleich dick.

Stoffwindeln behindern die Entwicklung


Kinder entwickeln sich motorisch immer in ihrem eigenen Tempo. Fakt ist, dass sie sich nackig am wenigsten eingeschränkt fühlen und Dinge wie sich zu drehen daher meistens nackt etwas früher können als gewickelt und angezogen. Dabei ist es aber völlig unabhängig ob es sich bei der Windel um eine Wegwerfwindel oder eine Stoffwindel handelt.

Wegwerfwindeln sind im Schritt in der Regel schmaler, dafür deutlich höher geschnitten.

Stoffwindeln sind breiter im Schritt (was übrigens gerade in den ersten Lebenswochen sehr gesund für die unreife Hüfte ist, meine Tochter hat es vor einer Spreizhose bewahren können!), dafür deutlich tiefer geschnitten, im Falle von All In 3 Systemen sogar richtig hüftig, was für deutlich mehr Bewegungsfreiheit sorgt.

Stoffwindeln haben also keinen schlechteren Einfluss auf die motorische Entwicklung als Wegwerfwindeln.

Stoffwindeln machen einen wunden Po

Ja, Stoffwindeln sind nass, sobald das Kind sein kleines Geschäft erledigt hat.

Fakt ist aber auch, dass frischer Urin steril ist und die Haut nicht schädigt. Man denke nur an Harnstoff (Urea) als pflegender Inhaltsstoff in Hautcremes.


Das was die Haut der Babys reizt ist der Stuhlgang und der kommt in der Windel immer an die Haut des Babys, egal ob Wegwerf- oder Stoffwindel.

Das Klima in Stoffwindeln ist übrigens insgesamt deutlich besser (bessere Durchlüftung, daher Durchschnittlich 2 Grad kühler als in Wegwerfwindeln, kein Superabsorber der auch natürliche Hautfette und -Feuchtigkeit aufnimmt, keine Lotionen und Duftstoffe) sodass Stoffwindelkinder deutlich seltener unter einer sogenannten Windeldermatitis leiden. 

Babys fühlen sich in nassen Windeln unwohl

Diese Aussage muss man mit einem klaren JAIN beantworten.

Fakt ist, dass Babys in Stoffwindeln im Gegensatz zu Wegwerfwindeln ihre Ausscheidungen spüren. Dieses sogenannte Nässefeedback ist auch einer der Gründe dafür, weshalb Stoffwindelkinder häufig früher trocken werden.

Babys laufen allerdings (entgegen dem allgemeinen Glauben) nicht dauerhaft aus, sondern sind durchaus in der Lage ihre Ausscheidungen sehr früh schon zu kontrollieren, sie sind als geborene Traglinge nämlich von Natur aus keine Nestbeschmutzer. Aus diesem Grund pullern sie ihre Eltern beim abnehmen der Windel auch so gerne an :P

Babys haben einfach ein Recht darauf nicht stundenlang in ihren Ausscheidungen sitzen zu müssen sondern regelmäẞig gewickelt zu werden.

Für Kinder und Eltern die Nachts nicht wach genug zum wickeln werden und die sich an der Nässe stören, gibt es auch Hilfsmittel für ein trockenes Gefühl am Po in der Stoffwindel.

Waschen kostet viel Geld, das relativiert die Ersparnisse durch Stoffwindeln

Gerade jetzt in der Situation mit der Inflation und deutlich gestiegenen Strompreisen macht man sich nochmal mehr Gedanken als vorher, ob die zwei Extraladungen 60 Grad-Wäsche den Kostenvorteil der Stoffwindeln nicht relativieren.

Was dabei gerne vergessen wird ist, dass auch Wegwerfwindeln noch Nebenkosten verursachen.

Feuchttücher, Cremes (die hier oft dauerhaft verwendet werden) und vor allem die Müllgebühren werden oft nicht in die Rechnung miteinbezogen.

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